Kaufhäuser folgen generischen Merkmalen. Quellen (10/2020) [1] [2] [3]

„THERE’S LOTS OF TRASH OUT THERE” [1]

GENERISCHE MERKMALE DER TYPOLOGIE KAUFHAUS

Nachfolgend werden verschiedene generische Merkmale der Kaufhaus Typologie anhand einzelner Standorte der GKK-Gruppe betrachtet. Aufgrund der Ausgestaltung als monofunktionale Typologie sind situative und strukturelle Faktoren auf den Warenverkauf ausgerichtet. Städtebauliche und architektonische Qualitäten wie Fassadenöffnungen, Tageslicht und Oberflächenqualitäten spielen eine untergeordnete Rolle. Die Geschossflächen werden vorrangig durch eine zentrale Rolltreppenanlage erschlossen. Flankierende Treppenhäuser dienen als sekundäre Erschließung, als Übergang zu PKW-Stellplätzen und als Fluchtwege. Abhangdecken führen die technische Gebäudeausstattung und verdecken nahezu alle architektonischen Strukturelemente.
Das Warenangebot, die Werbedisplays und Angebotstafeln werden zu den primär raumbildenden Elementen. Die Ausbildung von Produktgruppen wie Herren- und Damenabteilungen, Haushaltswaren und Feinkostabteilungen erfolgt nach starren generischen Mustern. Im Ergebnis verfügen die einzelnen Kaufhäuser über ein weitgehend einheitliches Sortiment, sowie standortübergreifend integrierten Dienstleister*innen, beispielsweise für die Kantinen und Feinkostbereiche.
Sowohl die Architektur, als auch die Nutzung, im Fall der Kaufhäuser das Warenangebot und die Produktpräsentation, zeigen nahezu mustergültige Züge einer stadträumlichen Monokultur.

Standortbetrachtung verschiedener Filialen der GALERIA Karstadt Kaufhof GmbH
Quelle (10/2020) [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] 

SITUATIVE MERKMALE

Nachfolgende Filialen bilden einen Auszug aus der Standortliste der GKK-Gruppe und wurden aufgrund situativer Unterschiede näher betrachtet. 
Stadträumliche Faktoren wie Geschossfläche, Geschossigkeit, Anbindung und Erschließung sind verschieden. Die Standorte liegen sowohl in Groß- als auch in Klein- und Mittelstädten.
Die Gebäude verfügen über eine direkte Erschließung durch den Individual- und Lieferverkehr, sowie über eine angrenzende Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr. Filialen in Stadtzentrumslagen bilden in der Regel eine Schnittstelle zu verkehrsberuhigten Straßen beziehungsweise Fußgängerzonen. Einzelne Standorte befinden sich in strategischen besonders relevanten Lagen an Nahverkehrsknotenpunkten. Tiefgaragen und benachbarte Parkhäuser halten entsprechend der Verkaufsfläche Stellplätze vor und bieten für die Mobilitätswende Transformationspotentiale. Dachflächen sind meist ungenutzt, in Einzelfällen wurden Flachdächer als Parkplätze ausgeführt. Für eine Nachnutzung der Dachflächen wäre bei Wegfallen der Dach-Parkplätze Lastreserven anzunehmen, welches das Weiterbauen der Typologie ermöglicht.
Starke Veränderungen der Stadtgrundrisse ab den 1950er Jahren ermöglichten zunehmend große Grundstücktiefen. Durch fast hermetisch abgeriegelte Fassaden konnten die Grundstücke stärker ausgenutzt werden.[2]

Fassaden verschiedener Filialen der GALERIA Karstadt Kaufhof GmbH
Quellen (10/2020) [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8]

Generische Räume 
Quellen (10/2020) [1] [2] [3] [4]

STRUKTUR UND FASSADE

Mehrheitlich befinden sich die Kaufhäuser in zentralen Lagen und verfügen über weitgehend schlichte Gebäude-Strukturen. Zur Maximierung der Verkaufsfläche wurden „innere Organisation und Gestaltung […] ökonomisiert. Die Grundrisse waren von einer ökonomischen Wegeführung geprägt. Wegen der Übereinanderstapelung der Verkaufsflächen erlangten Treppen, Fahrstühle und […] Rolltreppen besondere Bedeutung“[3] Die Tragstrukturen sind unterschiedlich komplex aufgebaut, die Stützenraster variieren je nach Ausbildung der Geschossdecken.
Die Fassaden der „fast hermetisch abgeschlossenen Warenhauskuben“[4], besonders bekannt durch das Corporate-Design der ehemaligen Horten Kaufhäuser, sind häufig als Vorhangfassaden ausgeführt. Die Rückbaubarkeit oder Anpassung der Fassaden sind in solchen Fällen aus konstruktiver Sicht anzunehmen. „Die planerische Schwerpunktsetzung auf die Wahrnehmung der Marke, die Erreichbarkeit mit dem Auto und die räumliche Ökonomisierung führten zu solitären Großbauten, gegen die sich ab den 1970er Jahren zunehmend die Kritik an den Auswüchsen des Nachkriegsstädtebaus unter den Leitbildern der gegliederten und aufgelockerten sowie der autogerechten Stadt richtete“.[5]


WARENANGEBOT

Der abgebildete Auszug aus dem Warenangebot der Galerie Karstadt-Kaufhof Kaufhäuser zeigt ein starres, an Massenproduktion gebundenes Sortiment. Durch den Insolvenzprozesse der GALERIA-Karstadt-Kaufhof Gruppe (GKK) seit 2004, sowie zuletzt durch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens durch die COVID19-Pandemie2020, steht der Konzern vor der Herausforderung rund ein Drittel seiner Standorte (Stand 06/2020) zu schließen.[6]
Diese Konsequenz sei, so die Hoffnung einzelner Handelsverbände, „das Ende der Fahnenstange“.[7] Gemeint ist damit das Ringen von Kommunen um Standorterhalt der Kaufhäuser und den damit verbundenen Arbeitsplätzen.
Einerseits führte die Fusion der verschiedenen Warenhaus-Ketten zur GKK-Gruppe, zu konkurrierenden Warenhäusern innerhalb desselben Unternehmens. Unter anderem stehen in München und Düsseldorf vormals verschiedene Warenhäuser in direkter Nachbarschaft nun in Konkurrenz. Das generische Sortiment bildet jeweils keine Schwerpunkte aus.

Zum anderen ermöglicht die Erhebung personenbezogener Nutzungsdaten im Online-Handel verschiedenen Plattformunternehmen das algorithmische Steuern des Warensortiments. Diese Steuerung ist weniger personalaufwendig als im stationären Einzelhandel, da keine Filialen täglich ausstaffiert werden müssen.
Zusätzlich erzeugt das Sammeln der Nutzungsdaten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem stationären Einzelhandel. Circa 50 Prozent der Waren werden derzeit beispielsweise bei Zalando zurückgesendet,[8] damit lassen sich gute Annahmen darüber treffen, welche Produkte einzelnen Kund*innen in Zukunft besser gefallen könnten. Das Ziel dieses Vorgehens ist es, ein Profil zur Passgenauigkeit der einzelnen Kund*innen zu erstellen.
Plattformunternehmen werten anhand der personenbezogenen Nutzungsdaten aus, welche Produkte, Größen, Farben, Materialen et cetera gekauft werden. Diese Informationen werden zum Beispiel zu einer Größenempfehlung kombiniert, welche wiederum die Umkleidekabinen des stationären Einzelhandels ersetzen soll.[9]
Wenn Kund*innen in einer der GKK-Filialen die Umkleidekabine verlassen, erfährt der Konzern nicht, weshalb und in welchem Umfang bestimmte Ware nicht gekauft wird.

Personalisierte Nutzungsdaten, welche die fehlenden Umkleidekabinen ersetzen, ermöglichen eine Dokumentation im gleichen Maß über das „Wollen & Kaufen“, sowie das „Nicht-Gefallen & Zurücklegen“, was zu einem Schlüsselmoment in der wirtschaftlichen Effizienz der Plattform-Ökonomie wird. Genau genommen kann mit den gesammelten Daten jeder einzelnen Person ein individuelles Suchergebnis zusammengestellt werden. So entsteht hieraus eine beliebig hohe Zahl an Marktplätzen (Targeted Advertising).
Zudem bieten Online-Plattformen sowohl Waren im Eigenvertrieb an, als auch den Shop im Shop, in den sich weitere Händler*innen einkaufen können. Die Behauptung „nicht mehr nur Online Kaufhaus, sondern digitale Fußgängerzone“[10] zu sein, bedient sich des Narratives einer sozial stabilen und wirtschaftlich prosperierenden Urbanität.

Perspektivisch gilt es, die freiwerdenden Geschossflächen in den Innenstädten zukunftsweisend zu füllen. Im Sinne einer zirkulär wirtschaftenden Gesellschaft sollten diese Flächen auch mit produzierenden Funktionen gefüllt werden. Die großen, zusammenhängenden Flächen bieten das Potential, verschiedene Funktionen unter einem Dach zusammenzubringen.